Heilige Quelle am Fuß der Felswand
Melasquellen mit Quelle der Aphrodite
Der Ort Orchomenos in Mittelgriechenland liegt auf uraltem Siedlungsgebiet. Schon vor 8.000 Jahren soll es von Minyern bewohnt gewesen sein, einem Stamm, dessen Spuren sich in historischer Zeit verlieren. Wahrscheinlich waren die Melasquellen westlich vom heutigen Orchomenos wegen ihrer Lage, ihres reinen und dauerhaft sprudelnden Wassers und ihrer beeindruckenden Schönheit schon damals ein Kultplatz. In den griechischen Mythen wird häufig eine bedeutende und reiche Stadt genannt, die man hier verortet.
Selbst Aphrodite soll mit ihren Gespielinnen, den drei Grazien, in der schönsten der Melasquellen gebadet haben, die heute nach ihr benannt ist. Die Grazien, verwandt mit den Chariten aus vorgriechischer Zeit, galten als Töchter des Zeus und der Eurynome. Sie waren die Personifizierung von Charme, Anmut und Schönheit. Der Kult der Chariten scheint dem der Nymphen ähnlich gewesen zu sein, der die Natur und die Fruchtbarkeit beschwor und dabei in besonderer Verbindung mit Quellen und Flüssen stand.
Die „Quelle der Aphrodite“ ist Teil eines langgestreckten und üppigen Quellhorizonts, der den Ursprung des Flusses Melas bildet. Heute weiß man, dass schon die Minyer solche Wasserlandschaften nach ihren Bedürfnissen umgestalteten haben. In der Antike wurde die Landschaft durch wasserbauliche Maßnahmen schließlich im weiten Umkreis und sehr weitgehend verändert, wie man zu rekonstruieren versucht hat.
Seen und Feuchtgebiete wurden trockengelegt, Wasserläufe kanalisiert, um sie nach und nach schiffbar zu machen. Heute besteht der ursprünglich durch die Landschaft mäandernde Fluss Melas nur noch aus begradigten Gräben, was sich ungünstig auf den Grundwasserspiegel auswirkt. Heute sind es aber vor allem die zu hohen Entnahmen aus den Grundwasserleitern und Gewässern wie auch die Nähr- und Schadstoffeinträge aus der Landwirtschaft, die zu Problemen führen. Der gesamte Quellhorizont am nördlichen Rand des Kalksteinrückens Akontion mit seinen rund 70 bekannten Wasseraustritten hat nur noch eine durchschnittliche Ergiebigkeit von gut 3,5 m³/s.
Im Winter und Frühjahr drückt das Niederschlagswasser aus dem Akontion zwar noch immer mit solcher Kraft aus der Erde, dass an mancher Quelle kleine Fontänen entstehen. Das Wasser ist glasklar und sauerstoffreich. Sobald zusätzlich zu den Trinkwasserentnahmen in mehreren Brunnen dann auch noch die Bewässerungspumpen der Landwirtschaft laufen, gehen die Schüttungen der Quellen stark zurück. Es bilden sich große Mengen von Fadenalgen im Wasser, es trübt sich mit Mikroalgen ein und manche Entwässerungsgräben trocknen vollständig aus. Die braunen Schleimalgen etwa, die sich in dem träge fließenden Quellbach heute schon im Frühjahr bilden, soll es vor wenigen Jahrzehnten noch gar nicht gegeben haben, erzählt ein Fischzüchter, dessen Familie an der Aphroditequelle bereits seit den 1950-er Jahren Lachsforellen hält. Seine Fische seien von Sommer zu Sommer mehr gefährdet.
Die schönste Zeit, um die Quellen zu besuchen, liegt daher zwischen Februar und Mai. Der kulturell Interessierte kann den Spaziergang zu den Quellen bei der beeindruckenden Kirche des ehemaligen Klosters Panagia (38.493900, 22.976400) in Orchomenos beginnen, die um das Jahr 877 auf den Fundamenten eines Vorgängerbaus errichtet worden war und heute das älteste byzantinische Denkmal in Böotien ist. Geöffnet ist die Kirche leider nur sonntags, aber auch der Bau selbst und seine Außenmauern sind einen Besuch wert. Von dort führt die schmale Straße Frixou ke Ellis entlang eines Kanals etwa einen Kilometer weit zur Aphrodite-Quelle.
An der dortigen Fischzucht ist man nicht nur herzlich willkommen, sondern man wird auch mit fließendem Deutsch empfangen. Am Quellbach mit wunderschönen Wasserpflanzen im glasklaren, türkisfarbenen Wasser führt der Weg knapp 200 Meter weiter bis zu einer roten Kapelle, bei der man den Bach auf einem Steg überquert, um unterhalb der Felswand auf das Quellen-Kleinod Zoodochos Pigi (38.499167, 22.963333) zu stoßen, eine noch heute verehrte Heilige Quelle, in deren wunderbar lebendigem Wasser sich unzählige kleine Wirbel bilden. Auf dem Weiterweg bis zur Brücke liegt ein Brunnenhaus und man entdeckt weitere Quellen, die zwar am Grund des Quellbachs austreten, die man im Frühjahr aber an kleinen Druckfontänen auf der Wasseroberfläche erkennt.
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