Märchenwald mit Tiebelquellen

 

 

  Tiebelquellen Koordinaten

 

 

Auch und gerade wenn man schon viele und unterschiedliche Quellen kennenlernen konnte: Die Tiebelquellen in der Nähe des Ortes Himmelberg in Kärnten sind ein einzigartiges Naturschauspiel, ein fast mystischer Platz. Mit zu dem Zauber trägt bei, dass das weitläufige Quellgebiet trotz seiner Einzigartigkeit wenig bekannt und damit kaum je überlaufen ist. Die Quellbäche der rund 100 einzelnen Wasseraustritte durchlaufen zunächst einen zauberhaften Naturwald mit wunderschönen Moospolstern, der durch kleine Pfade gut erschlossen ist, vereinigen sich dabei nach und nach und bilden bereits nach wenigen hundert Metern den starken Bach Tiebel, an dem noch einige historische Mühlen erhalten sind bzw. wieder aufgebaut wurden.

Auf ihrem 21,5 Kilometer langen und steilen Weg bis zum Bleistätter Moor mit ihrer Mündung in den Ossiacher See, für welchen das Wasser drei Stunden benötigt, gab die Tiebel einst 104 Sensen-Hammer-Sägewerke, Pulverstämpfer, Pfannenschmiede, Pappfabriken und Nagelschmiden ihre Kraft. Dabei liefern ihre Quellen auch Trinkwasser von allerhöchster Qualität, das aus dem Grundwasserstrom der nördlich auf 940 bis 960 Meter Höhe verlaufenden Gurk unter der Prekowahöhe zugeführt wird und in verschiedenen Höhen von etwa 840 bis 900 Metern oberhalb des Ortes Tiebel austritt.

In der letzten Eiszeit hinterließ der Ausläufer des Drau-Gletschers im Bereich der Präkowa nämlich einen Moränenwall, der die Gurk zur Änderung ihrer Fließrichtung durch die „Enge Gurk“ zwang. Der Grundwasserstrom des oberen Gurktales versickert zwischen Maitratten und Urscherwirt in eine ausgedehnte Kiesschicht und tritt am Tiebelursprung nach einer mittleren Verweilzeit von drei bis fünf Monaten in stockwerkartigen Quellen wieder hervor.

Insgesamt schütten die Quellen dabei recht konstant rund 600 l/s. Lediglich nach sehr starken Regefällen und einem entsprechenden Anstieg des Pegels der Gurk werden höhere Schüttungen gemessen. Eine Reihe stärkerer Quellaustritte beschreibt dabei die Form eines langgezogenen Hufeisens.

Eine Besonderheit, die bis heute nicht geklärt werden konnte, ist, dass die Tiebel auch in härtesten Wintern nicht zufriert. Es heißt, dass im Winter 1799 während des zweiten Koalitionskrieges russische Soldaten deshalb in der "warmen Tiebel" badeten.

Von den Mühlen in Tiebel ist hervorzuheben die Mehlteurer-Mühle, eine Flodermühle mit horizontalem Wasserrad, und als solches eine Seltenheit. Der Überlieferung nach wurde sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebaut. Sie wurde im Jahr 2002 in mühevoller Arbeit abgetragen und 2004 in Tiebel wieder aufgebaut. Heute ist die Mühle wieder komplett funktionstüchtig. Wie Eisen geschmiedet und Sensen hergestellt wurden, kann man im privaten Museum der Zeilinger Sensenschmiede (46.749819, 14.036083) in Himmelberg noch erleben.

Das Tiebelquellgebiet blieb für die Bevölkerung lange Zeit ein Rätsel und nährte die Vermutung, dass sich im Präkowaberg ein unterirdischer See befinde. Eine Sage erzählt, dass wenn in Himmelberg ein „Pfleger“ (herrschaftlicher Beamter und Gewaltträger des Grafen) mit einem bedeutenden Male im Gesichte und zur gleichen Zeit am Orte Tibel ein Bauer in Besitz zweier schwarzer Stiere seyn werde, die Tibel ausbrechen und das gesamte Kesselthal von Himmelberg unter Wasser setzen würde. Auch ging die Rede, Gnesau werde einmal versinken, Himmelberg ertrinken und Feldkirchen im Sand ersticken und zwar dann, wenn der Pfleger von Himmelberg nur mehr ein einziges Paar Ochsen haben wird.

Es führt von Himmelberg aus zwar eine Wanderung nach Tiebel. Schon der Ort selbst mit seinen Mühlen und zahlreichen Quellen ist aber so interessant und weitläufig, dass man hier gut einen Nachmittag lang damit verbringen kann, ihn zu erkunden. Am besten parkt man hierfür, nachdem man die Stichstraße von der Turracher Straße 95 hinunter nach Tiebel gefahren ist, gleich bei der ersten Brücke (46.764892, 14.014649) und macht sich von dort zu Fuß auf den Weg. Bereits von der Straße aus kann man einzelne Quellen in den Wiesen und ihre Abläufe erkennen.

Ein Stück der Straße folgend gelangt man zu einem Parkplatz (46.768013, 14.007144) oberhalb einer alten Mühle, an dem der Weg zu den Tiebelquellen abgeht und auch als solcher markiert ist. Man sollte genügend Zeit einplanen, um den wundervollen Ort voller seltener Pflanzen, Farne und Moose, verspielten Wasserrädern und versteckten Engelchen, die kleine Freunde des Platzes in Baumhöhlen aufgestellt haben, in aller Ruhe zu erkunden und auf sich wirken zu lassen. Es ist wie wenig andere ein Ort, der Ruhe und Kraft vermittelt. Vielleicht trägt man mit seinem Besuch ja auch ein wenig dazu bei, dieses Kleinod, das immer auch im Visier potentieller "Nutzer" steht, vor Berserkern und Baggern zu schützen …